KI auf dem Vormarsch – wann zieht HAL bei uns ein?
Im Kino kennt künstliche Intelligenz nur zwei Rollen: Entweder das verschlagene Computergehirn – von HAL über Tron bis Ex Machina –, für das Menschen wenig mehr sind als Versuchskaninchen. Oder der rührende, rücksichtsvolle Roboter, der – obwohl er uns überlegen ist – doch nichts möchte, als dazugehören, wie zum Beispiel in AI oder Nummer 5 lebt.
In Zeiten, in denen täglich überall von der „KI-Revolution“ zu hören und zu lesen ist, ist es kaum möglich, diese Bilder aus dem Kopf zu verdrängen. Wir müssen sie aber für einen Moment beiseiteschieben, um zu verstehen, was KI tatsächlich für unser Alltagsleben leisten kann und wo sie heute steht.
KI im Klartext: Es geht ums Lernen und Entscheiden – nach einfachen Prinzipien
Zunächst einmal: „Künstliche Intelligenz“ bedeutet nichts anderes, als dass eine Maschine selbst Entscheidungen treffen und dazulernen kann. Um das zu bewerkstelligen, gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze: Der wissensbasierte Ansatz vermittelt Computern mit großen Datenbanken – z.B. Wörterbüchern, Grammatik-Regeln und Lexika – ein festes Wissen und logische Regeln, wie mit diesem Wissen umzugehen ist. Hier steht im Mittelpunkt, Fakten verfügbar zu machen und Prozesse, die immer nach demselben Schema ablaufen, zu automatisieren. Mit immer neuen Daten wird dieses Wissen weiter ergänzt.
Der musterbasierte Ansatz hingegen bringt einem Computer in erster Linie bei, Muster zu erkennen und aus diesen heraus zu erschließen, was sie bedeuten – ähnlich wie ein Kind die Welt entdeckt. Diese Schlüsse wendet die Maschine erneut an und lernt damit aus Versuch und Irrtum, was funktioniert und was nicht. Damit kann sie mit der Zeit auch unvorhergesehene Ereignisse erkennen, weil sie eben vom Gewohnten abweichen – und so zum Beispiel früh merken, wenn ein Spieler eine völlig neue Strategie entwickelt oder ein Motor kaputt zu gehen droht.
KI in der Praxis: Konkrete Probleme für Menschen lösen
Ob auf die eine oder andere Weise: Das Ziel der technischen Entwicklung ist bisher immer die Lösung konkreter Probleme, die mit mehr Daten, logischeren Schlüssen oder früher erkannten Mustern spürbare Verbesserungen in unser Leben bringen.
Da wäre zum Beispiel ein „Smart Home“, das erkennt, dass im Schlafzimmer seit 24 Stunden das Licht nicht ausgemacht wurde, obwohl jemand zu Hause ist – und daraufhin den Bewohner fragt, ob alles in Ordnung ist, sowie Hilfe ruft, wenn über längere Zeit keine Antwort kommt. Oder ein Auto, das am Fahrverhalten nach wenigen Metern merkt, dass die Dame des Hauses am Steuer sitzt, die gerne sportlich fährt, und folglich die Gänge später wechselt, den Motor schneller ansprechen lässt und das Fahrwerk strafft – alles Anwendungen, die wir bereits heute erleben können.
Auch in unserer Kommunikation kommen wir zunehmend mit KI in Berührung – immer mehr Hotlines haben kaum noch Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung. Wir sprechen mit Chatbots, die unsere Buchungen oder Reklamationen aufnehmen, unsere Fragen zum Vertrag beantworten und uns nur noch dann, wenn sie gar nicht mehr weiter wissen, an einen Menschen verbinden. Auch gewöhnen wir uns immer stärker daran, mit digitalen Assistenten zu sprechen, um Bestellungen zu tätigen, Musik zu spielen, die Massagefunktion im Sitz zu aktivieren oder nach dem Wetter zu fragen – ob im Haus, im Auto oder beim Smartphone, von Alexa über Google Assistant bis MBUX. Nicht nur die Sprache wird problemlos verstanden, die Geräte können auch Fragen beantworten, Rückfragen stellen und teilweise sogar an der Stimme unseren Gefühlszustand ablesen.
Keines dieser Produkte ist in der Lage ein Eigenleben zu entwickeln: Zwar lernen sie aus unserem Verhalten und unserer Interaktion mit ihnen, doch sind sie dabei auf einen genauen Zweck hin entwickelt – bei Allem, was mit diesem nichts zu tun hat, sind sie ungefähr so schlau wie ein Gameboy (auch wenn Siri und Co. markige Sprüche einprogrammiert haben, um Dinge, die sie nicht wissen oder nicht können, amüsant zu überspielen).
KI im Ausblick – unser Umgang mit Maschinen ändert sich radikal
Diese Form der künstlichen Intelligenz – die sogenannte spezielle oder „schwache“ KI – zieht in schwindelerregendem Tempo in unsere elektronischen Geräte ein und wird die Art, wie wir mit unserer Technik umgehen, sehr grundlegend verändern: Statt Schalter zu betätigen und Tasten zu tippen, werden wir künftig mit intuitiven Gesten und Alltagssprache mit unseren Lampen, Kühlschränken, Telefonen, Autos und Uhren interagieren – wenn sie nicht sogar schon von selbst ahnen, was wir von ihnen wollen und gar keinen Befehl benötigen.
Auch werden in den nächsten 10 Jahren sicherlich viele Prozesse, die auf klaren Standards und Regeln beruhen, automatisiert, die uns heute noch viel Zeit und / oder Geld kosten.
Und wo bleiben die digitalen Götter aus den Science Fiction Filmen?
Viele große Technologieunternehmen arbeiten derzeit an Formen der künstlichen Intelligenz, die nicht an bestimmte Aufgaben gebunden sind, sondern – ähnlich wie ein Mensch – das Lernen um des Lernens willen lernt, die Neugier um der Neugier willen verfolgt. So sollen Computer einst in die Lage kommen, Probleme zu lösen, die wir noch gar nicht erkannt haben oder auf die wir keine Antwort wissen – und kreative Aufgaben eigenständig zu lösen, wie z.B. selbst bessere Computer zu entwickeln.
Eine solche „starke“ oder allgemeine künstliche Intelligenz mutet in der Tat nach Science Fiction an und spaltet die Menschheit: Während manche Top-Forscher und -Entwickler davon träumen, Krebs, Klimawandel und vieles mehr mit starker KI zu besiegen, warnen andere, ebenso prominente Profis vor der Gefahr, dass uns die Maschinen versklaven oder aus Versehen Schaden zufügen. Obwohl aber Google-Entwicklungschef Ray Kurzweil bereits 2005 verkündete, dieser Punkt sei schon beinahe erreicht, sind wir heute nach wie vor so weit davon entfernt, dass trotz vieler Fortschritte niemand sagen kann, ob er jemals erreicht wird – und falls ja, wann. Es ist also deutlich verfrüht, darüber zu spekulieren, wann unsere elektronischen Geräte von schlauen Dienern zu mysteriösen Halbgöttern werden.